Geschichte von Norwegen
Norwegen hat, wie seine skandinavischen Nachbarn, eine bewegte Geschichte: Nach der frühen Besiedlung wechselten sich in der Wikingerzeit und im Mittelalter verschiedene Könige ab. Im 16. Jahrhundert begann mit der Kalmarer Union ein langer Zeitraum, in dem Norwegen als Teil eines Zusammenschlusses zwischen den skandinavischen Ländern regiert wurde. Erst im Jahr 1905 wurde das Land wieder unabhängig und wird seither in einer konstitutionellen Monarchie regiert.
Frühzeit
Aus verschiedenen archäologischen Funden wird abgeleitet, dass das Gebiet von Norwegen seit ca. 10.500 v. Chr. besiedelt ist. Die Westküste war zu dieser Zeit bereits nicht mehr vereist. Zudem gibt es Siedlungsspuren in Øygarden (Hordaland) sowie auf den Inseln der heutigen Kommune Rennesøy (Hordaland). Zu Beginn der Besiedlung waren die Ur-Norweger überwiegend Jäger. In Felsritzungen aus der Frühzeit der Besiedlung spielen bereits Boote eine Rolle, was darauf schließen lässt, dass die altnorwegischen Kulturen bereits früh auch zur See fuhren.
Um ca. 2500 v. Chr. setzte eine Welle der Sesshaftigkeit ein, es wurde vermehrt Landwirtschaft betrieben. Auch Handelswege über größere Distanzen sind in dieser Zeit nachweisbar.
Um das Jahr 0 wird er Einfluss des römischen Reiches spürbar: Er führt mutmaßlich auch zu der Entwicklung der Runenschrift, deren älteste Ausprägung auf das Jahr 200 n. Chr. datiert wird. Zu dieser Zeit wird auch von den ersten Königen berichtet: Diese sind jedoch nicht, wie in der heutigen Bedeutung, Herrscher über ein bestimmtes Gebiet. Stattdessen ist der König ein besonders tüchtiger Anführer. Der römische Geschichtsschreiber Jordanes berichtet zuerst 551 von den norwegischen Stämmen, die so organisiert sind.
Wikingerzeit
Ab ca. 750 n. Chr. beginnt die Wikingerzeit in Norwegen. Aus den vorher bereits etablierten Herrschaftsformen (König als Befehlshaber einer Truppe mehr denn Herrscher über ein geographisches Gebiet) ergeben sich die Expeditionen der Seefahrer. Wenngleich zumeist von den Raub- und Eroberungszügen der Wikinger die Rede ist, haben diese auch Handel getrieben. Ihre Beutezüge führten sie bis zur portugiesischen Küste.
Die Geschicklichkeit der Wikinger auf See ist geradezu sprichwörtlich geworden. Auch wenn sich nicht mit Gewissheit sagen lässt, welcher Entdecker den Weg in die neue Welt geschafft hat (vermutlich war es Leif Eriksson): Sicher ist, dass einige der nordischen Seefahrer weit gereist sind. Unter anderem Grönland wurde von ihnen entdeckt. In weiten Teilen Europas waren die Normannen genannten Seefahrer ebenfalls bekannte Besucher.
Während der Wikingerzeit herrschte eine außerordentliche Unruhe in Norwegen. Es folgten verschiedene Königsgeschlechter aufeinander, die sich immer wieder bekriegten. Die bekanntesten dieser Könige sind dabei mit Sicherheit Karald Hårfagre, Harald Blauzahn (der heute vor allem als Namensgeber für die Funktechnologie Bluetooth bekannt ist) und Magnus Barfot. Letzterer gilt als der letzte Wikingerkönig; er starb 1102.
Mittelalter
Die Söhne Magnus Barfots konsolidierten das Reich und begannen die Christianisierung des Landes. Sigurd zog als erster europäischer König überhaupt auf einen Kreuzzug. Es wurden christliche Klöster gegründet und Norwegen als Region vom Bistum Hamburg gelöst. Aus der Zeit der Christianisierung datieren auch die Stabkirchen, von denen in Norwegen noch 33 existieren. Weil diese speziell skandinavische Bauform größtenteils auf Holz basiert, sind viele dieser Kirchen verloren gegangen. Vermutlich existierten im 16. Jahrhundert noch 750 Stabkirchen.
Das Reich des Königs von Norwegen, wie es von Hakon Magnussen genannt wurde, stand wirtschaftlich auf tönernen Füßen. Ein Großteil des Vermögens lag in den Händen der Kirche. Die wirtschaftliche Situation und einige schlechte Erntejahre führten dazu, dass nur noch Handelsleute norwegische Produkte ausführen durften, welche ihrerseits Getreide einführten. Dies führte mutmaßlich zur Pestepidemie von 1349.
Diese führte auch zu einer Umwälzung der Gesellschaft. Viele Angehörige der Oberschicht wurden dahingerafft. An ihre Stelle traten Dänen. Nach und nach verschwand damit das norwegische Königsgeschlecht, was zu einer Union mit den anderen skandinavischen Ländern führte.
Kalmarer Union
Unter Königin Margarethe I., die zunächst Regentin von Dänemark und Norwegen war, dann jedoch auch in Schweden zur Herrscherin wurde, entstand eine Union der drei Länder. Margarethes Neffe, Erich von Pommern, wurde 1397 zum Herrscher bestimmt. Dieser Akt geschah in der schwedischen Stadt Kalmar, weshalb die Union in der Geschichtsschreibung als Kalmarer Union bezeichnet wird. Diese wurde auch in einem Vertrag festgehalten. Trotz der administrativen Einheit gab es immer wieder Konflikte: Sowohl der schwedische als auch der norwegische Adel rebellierten gegen die dänische Dominanz der Union. Durch die Absetzung Christians II. war die Kalmarer Union beendet.
Dänemark-Norwegen
In der darauffolgenden Union mit Dänemark wurde Norwegen eher stiefmütterlich behandelt. Der dänische König Christian III. führte die Reformation ein und machte das Dänische zur Sprache der Liturgie und Verwaltung. Das Norwegische wurde damit immer weiter marginalisiert. Auch die Mehrheit der Beamten kamen aus Dänemark. Um einen höheren Posten zu erreichen, mussten Norweger den Weg nach Kopenhagen auf sich nehmen. Diese Entwicklungen führten zu einem Erstarken des Nationalbewusstseins. Während der napoleonischen Kriege war Norwegen von Dänemark abgeschnitten. Als Norwegen militärisch unter Druck geriet und keine Hilfe von Dänemark bekam, befeuerte dies eine Unabhängigkeitsbewegung.
Union mit Schweden
Nachdem Napoleon besiegt worden war, musste Dänemark, das auf dessen Seite gestanden hatte, die norwegischen Gebiete an Schweden abtreten. Damit begann eine norwegisch-schwedische Union. Im Kieler Frieden von 1814 wurden die skandinavischen Gebiete neu verteilt: Während Norwegen an Schweden ging, fielen Island, die Färöer und Grönland Dänemark zu. In Norwegen formierte sich jedoch ein Widerstand gegen die Neuordnung.
Im Februar 1814 erklärte sich Norwegen unabhängig. Im Mai desselben Jahres versammelten sich 112 Männer unter der Führung von Christian Frederik, der die Unabhängigkeit von Norwegen proklamierte. Eigentlich hatte er damit auch im Sinn, absolutistischer Herrscher zu werden. Für dieses Ansinnen fand er jedoch keine Unterstützung. Diese Versammlung beschloss die norwegische Verfassung am 14. Mai. Die Verfassung hat bis heute in weiten Teilen Gültigkeit, der Tag ihrer Verabschiedung wird heute als norwegischer Nationalfeiertag begangen. Die Verfassung war eine der modernsten Europas und ist heute die einzige, welche die Restauration (Zeit der Wieder-Ordnung Europas nach dem Fall Napoleons) überstanden hat.
Auch wenn Christian Friedrich wenige Monate später abgesetzt wurde – die Verfassung wurde vom schwedischen Kronprinzen Karl XIV. anerkannt. Somit war die Union zwischen Schweden und Norwegen lediglich eine Personalunion (gleicher Herrscher), Norwegen wurde jedoch gemäß seiner Verfassung verwaltet.
Wahrscheinlich der bekannteste norwegische Komponist: Edvard Grieg. (Foto: Karl Andersen, Lizenz CC BY-SA 3.0)
Im Laufe des 19. Jahrhundert entwickelte sich eine starke Arbeiterbewegung. Im Zuge dieser Entwicklung wurde auch die Forderung nach einem Skandinavismus, einer Union der skandinavischen Länder, laut. Diese ging von der Idee aus, dass Skandinavien als Kulturraum auch poilitsch einheitlich agieren sollte. Dieser Bewegung stand eine Besinnung auf Nationalidentität entgegen. In deren Zuge wurde auch die heutige norwegische Schriftsprache entwickelt, die auf den gesprochenen Dialekten beruht – vorher wurde die dänische Schriftsprache verwendet. In dieser Zeit wirkten unter anderem Edvard Grieg und Henrik Ibsen.
Dieses erstarkte Nationalbewusstsein führte u.a. dazu, dass die norwegische Nationalversammlung (das Storting) Verhandlungen über eigene Auslandsvertretungen mit Schweden aufnahm. Nachdem Verhandlungen über eine gemeinsame außenüpolitische Linie gescheitert waren, erklärte das Storting im Mai 1905 die Aufnahme eines eigenen Konsularwesens. Daraufhin kam es zu Spannungen. Am 13. August 1905 kam es zu einer Volksabstimmung, bei der die Auflösung der schwedisch-norwegischen Personalunion bekräftigt wurde. Mit dem Vertrag von Karlstad, der am 23. September unterschrieben wurde, war die Auflösung der Union besiegelt.
Erster Weltkrieg und Zwischenkriegszeit
Im ersten Weltkrieg versuchte das junge Norwegen, unabhänhig zu bleiben – war aber durch seine Handelsflotte indirekt an Kriegshandlungen beteiligt. So wurden etwa britische Waffenlieferungen mit norwegischen Schiffen transportiert. Weil Großbritannien den Handel mit Deutschland untersagte, wurden viele norwegische Handelsschiffe von deutschen U-Booten versenkt. Für die deutsche Armee galt Norwegen als Aliierter.
Nach dem Krieg wurde Norwegen Teil des Völkerbundes. Wegen der während des Krieges eingeführte Prohibition gab es Spannungen mit den südeuropäischen Handelspartnern. Erst mit Einführung des Goldstandards 1927 und der Aufhebung der Prohibition im gleichen Jahr verbesserte sich die Lage.
Im Jahr 1924 wurde der Name der Hauptstadt zu Oslo geändert, nachdem sie rund 300 Jahre lang Christiania (bzw. Kristiania) hieß.
Es kam zu Spannung mit Dänemark über Besitzansprüche auf Grönland. Im Zuge dieses Konflikts besetze die norwegische Armee Teile der Insel. Mit einem Schiedsspruch durch den Internationalen Gerichtshof in Den Haag, der den dänischen Besitzanspruch bekräftigte, zogen diese jedoch wieder ab.
Zweiter Weltkrieg
Während der deutschen Besatzung im Exil: König Håkon VII. (© Larsen (Trondheim), Fotoarchiv des Norwegischen Königshauses)
Auch im zweiten Weltkrieg war Norwegen neutral. Nachdem das deutscheHandelsschiff in norwegische Hoheitsgewässer eingedrungen war, wurde es jedoch in den Krieg hineingezogen: Ein britisches Kriegsschiff griff die Altmark an und presste die an Bord befindlichen Kriegsgefangenen frei. Am 9. April 1940 wurde Norwegen dann von der deutschen Wehrmacht angegriffen. Nach zwei Monaten der Scharmützel floh das norwegische Königshaus ins Exil, am 10. Juni kapitulierte die norwegische Armee.
In Norwegen formierte sich ein Widerstand, der auch von Exilnorwegern unterstützt wurde. Die beiden Flügel des Widerstands wurden als Heimatfront und Außenfront bezeichnet. Zum Ende der Besatzung hatte die Widerstandsorganisation Milorg ca. 55.000 Mitglieder. Die Marine wurde im Exil wiederaufgebaut und verrichtete kriegswichtige Dienste für die Alliierten. Dennoch wurden während der deutschen Besatzung ca. ein Drittel der norwegischen Juden in KZs verschleppt, viele flüchteten sich nach Schweden und Großbritannien.
Ende 1944 wurde die Deportation einer großen Zahl norwegischer Bürger von Operation Nordlicht angeordnet. Dabei zog sich die Wehrmacht von der russisch-finnischen Front zurück und deportierte alle Siedlungen östlich den Lyngenfjords in Troms. Der Befehlshabende General Alfred Jodl wurde für die Verbrechen in diesem Zusammenhang in Nürnberg verurteilt.
Nachdem Deutschland am 8. Mai 1945 kapituliert hatte, endete die Besatzung Norwegens. Bereits fünf Tage später kehrte Kronprinz Olaf nach Oslo zurück. Der amtierende König Håkon VII. kehrte am 6. Juni 1945 wieder in seine Heimat zurück.
Nachkriegszeit bis heute
Nach dem Zweiten Weltkrieg musste auch in Norwegen einige Zeit ins Land gehen, bis die Aufarbeitung der Kollaboration mit den Nazis stattfand. Etwa 46.000 Personen mussten sich vor Gericht wegen ihrer Rolle während der Besatzung verantworten, gut ein Drittel wurde zu Gefängnisstrafen verurteilt. Zudem wurden Frauen, die ein Kind mit einem deutschen Soldaten gezeugt hatten, sowie die Kinder selbst, massiv diskriminiert.
Wirtschaftlich ging es bergauf, Norwegen nahm eine führende Rolle in der Rohstoffproduktion, etwa beim Abbau von Eisenerzen, aber auch in der Hüttenindustrie. Ende der 1960er wurde in der Nordsee Erdöl entdeckt, dessen Abbau dem Land einen großen Wohlstand verschaffte.
Politisch wurde Norwegen international: So gehört das Land zu den Gründungsnationen der NATO. Der ehemalige norwegische Ministerpräsident Jens Stoltenberg ist derzeit (Stand Mai 2017) Generalsekretär des Militärbündnisses. Im Jahr 1960 trat das Land der Europäischen Freihandelsassoziation EFTA bei, seit 1994 ist es Mitglied des Europäischen Wirtschaftsraumes. Trotz dieser Anbindung an Europa bewahrt sich Norwegen eine Unabhängigkeit. In Volksabstimmungen 1972 und 1994 wurde der Beitritt zur EWG (Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft) bzw. zur EU mehrheitlich abgelehnt.